Seilzug-Anlenkungen

Seilzug-Anlenkungen zur Ansteuerung von Ruderflächen gehören technisch zur Gruppe der Zugmittelgetriebe, sie werden eingesetzt, wenn größere Entfernungen zwischen An- und Abtriebsglied zu überbrücken sind. Zur sicheren und präzisen Funktion ist eine Grundspannung im Seil gefordert. Es gibt auch Systeme mit Umlenkrollen zwischen An- und Abtriebsseite, diese werden hier aber nicht betrachtet.

Wenn man nicht näher hinsieht, ist alles ganz einfach, aber es gibt doch einige Details zu beachten. Zum Beginn kurz eine Bewertung, im Anschluss dazu einige Erläuterungen.:

Vorteile

Nachteile

Geringes Gewicht der Übertragungselemente 

Gefahr des Verdrillens bei gelösten Verbindungen

Nur Zugbeanspruchung, daher keine Gestängedurchbiegung

Konstante Seilspannung erforderlich

Nur geringes Spiel bei Vorspannung der Seilzüge

Vorspannung erzeugt zusätzliche Lagerbelastung 

Bei optimaler Anordnung besserer Übertragungswinkel als Gestänge

 

Von der Theorie her kenne ich für das Thema Anlenkung von Ruderflächen nur zwei ideale Systeme, welche in allen Stellungen völlig exakt arbeiten:

  1. Seilzug mit 2 Umlenkscheiben (S.0), wie auch früher als Skalenanzeige in Radiogeräten eingesetzt. Dieses System hat einen gleichmäßigen Ablauf (ohne ein manchmal gewünschtes Exponentialverhalten) in allen Winkellagen, durch unterschiedlich große Umlenkscheiben lassen sich auch Übersetzungen verwirklichen. Die Wirklänge und Spannung des Seils ist immer gleich, unabhängig von der Winkellage des Systems. (Wenn die Scheiben unrund oder exzentrisch gebohrt sind, ist es mit der Theorie aber schon wieder vorbei)

  2. Seilzug in Parallelkurbel-Anordnung (P.0), wie auch früher bei älteren Zeichenmaschinen verwendet. Die Hebelarme von Servo und Ruderhorn sind gleich lang und parallel zueinander. Die Seillänge ist genauso lang wie der Abstand der beiden Drehpunkte, statt der Seile könnten auch starre Stangen als Koppelglieder verwendet werden. Die dargestellte Lösung ist am bekanntesten, bei Ruder-Neutralstellung stehen hier die Hebelarme 90° zur Verbindungslinie der Drehpunkte. Der Ablauf ist gleichmäßig in allen Winkelstellung, aber im Gegensatz zur ersten Lösung sind keine Übersetzungen möglich. Es gilt: Abtriebswinkel=Antriebswinkel. Wirklänge und Spannung verändern sich bei theoretisch exakter Ausführung nicht.



Alle anderen Lösungen sind - bei theoretischer Betrachtungsweise - mehr oder weniger fehlerbehaftet, funktionieren praktisch aber oft ohne merkbare Probleme, da die Auswirkungen der Fehler zumeist nur gering sind. Nachfolgend werden einige Einflußgrößen aufgezeigt.

Ausführung  des Servoantriebshebels (Scheibe oder Hebelarm)

Ausführung des Ruderhorns (Scheibe oder Hebelarm)

Winkellage der Seil-Einhängebohrungen an Servohebel und Ruderhorn

Längenverhältnis Servohebel / Ruderhorn

Abstand zwischen Servoachse und Ruder-Scharnierachse.

In den meisten Fällen (Hebel an Servo und Ruderfläche) läßt sich jeder Zweig des Seilzuges kinematisch als Gelenkviereck betrachten, bestehend aus:

  1. Gestell = Abstand zwischen Servoachse und Ruder-Scharnierachse

  2. Kurbel = Servoantriebshebel

  3. Koppelglied = Seil

  4. Schwinge = Ruderhorn

Die Berechnung dieser Mechanismen war auch mit einem Rechenschieber schon sehr exakt möglich. Craig Tenney hat einige Excel-Blätter über diese Zusammenhänge erstellt, die auch die Ermittlung von Ruderkräften ermöglichen. Allerdings scheint im Programm eine feste Verknüpfung zwischen den Längen von Servohebel und Ruderhorn fixiert zu sein; Parallel-Kurbelgetriebe konnte ich bisher mit der mir vorliegenden Version noch nicht simulieren. Die Tabellenblätter sind passwortgeschützt, eigene Erweiterungen sind also nicht ohne weiteres möglich. Selbst wenn dies manchmal störend ist, halte ich es für sinnvoll, um ungewollte oder unbewusste Änderungen zu blockieren.

 Zu den Varianten:

Skizze S.1 stellt ein System mit einer Seilscheibe am Servo und rechtwinkligen Hebeln an der Ruderfläche dar. Das in Neutrallage korrekt gespannte System verliert einen - praktisch nicht relevanten - Teil der Spannung im Leertrumm, wenn es ausgelenkt wird. Dieser Einfluss wird durch geringe Winkelunterschiede der Seile bei Auslenkung hervorgerufen, er wird mit größerer Gestell-Länge immer kleiner. Bei unendlicher Gestelllänge besteht hinsichtlich der Seilspannung kein Unterschied zu Fall P.0. Unterschiedlich ist jedoch das Übertragungsverhalten: Bei gleichen Hebelverhältnissen steigt der Ausschlagwinkel der Ruderfläche stärker an als der Servoausschlag.

Skizze A.+ stellt ein System mit einem rechtwinkligen Servohebel  und 20° zurückgeschwenkten Ruderhebeln dar, die Wirklängen der Hebel sind gleich.. Das in Neutrallage korrekt gespannte System verliert einen - gegenüber S.1 deutlich höheren - Teil der Spannung im Leertrumm, wenn es ausgelenkt wird. Dieser Einfluss wird hervorgerufen durch die Geometrie des Ruderhorns. Das rücklaufende Ruderhorn des Leertrumms legt einen geringeren Weg in Gestellrichtung zurück als das vorlaufende Ruderhorn. Dieser Effekt ist weitgehend unabhängig von der Gestell-Länge. Ob er sich negativ auf die Funktion einer derartig gestalteten Anlenkung auswirkt, ist umstritten. Persönlich halte ich bei böigen Windverhältnissen eine Flatterneigung für möglich, auch die präzise Reaktion bei Bewegungsumkehr ist eingeschränkt, da anfangs nur Luftkräfte rückstellend wirken. Das Übertragungsverhalten ist unterschiedlich: Anfangs steigt der Ausschlagwinkel der Ruderfläche stärker an als der Servoausschlag, später kehrt sich der Effekt um.

Skizze A.- stellt ein System mit einem rechtwinkligen Servohebel  und 20° vorgeschwenkten Ruderhebeln dar, die Wirklängen der Hebel sind gleich.. Das in Neutrallage korrekt gespannte System wird weiter gespannt, wenn es ausgelenkt wird. Auch dieser Einfluss ist weitgehend unabhängig von der Gestell-Länge und wird hervorgerufen durch die Geometrie des Ruderhorns. Das rücklaufende Ruderhorn legt einen weiteren Weg in Gestellrichtung zurück als das vorlaufende Ruderhorn, dadurch wird die ursprüngliche Seillänge zu kurz.. Die Vorspannung wird erhöht, hat aber erst ab einer gewissen Größe praktische Auswirkungen, da Elastizität und Durchbiegung in Servohalterung, Zugseil, Servohebel und Ruderhorn - natürlich unter Reduzierung der Wirkleistung am Ruder - für einen teilweisen Abbau sorgen. Persönlich halte ich einen geringen Teil von zusätzlicher Seilspannung noch für akzeptabel. Das Übertragungsverhalten ist progressiv: Der Ausschlagwinkel der Ruderfläche steigt stärker an als der Servoausschlag.



Die in den Skizzen A.+ und A.- dargestellten Verhältnisse gelten sinngemäß auch für eine rechtwinklige Ausführung des Ruderhorns und die Verlagerung der Drehpunkte am Servohebel. Grundsätzlich ergibt sich damit bei gleichen Hebellängen von An- und Abtrieb folgender Zusammenhang:

Seillänge > Gestell-Länge Leertrumm wird bei Auslenkung schlaff
Seillänge < Gestell-Länge Erhöhte Spannung bei Auslenkung

Eine ebenfalls gut brauchbare Seilzug-Lösung ist nachfolgend in P.1 dargestellt. Seillänge = Gestell-Länge bei gleichen Hebellängen ergibt theoretisch optimale Übertragung. Während ein festes Gestänge für optimalen Wirkungsgrad bei Neutrallage in 12-Uhr-Position stehen sollte, ist bei einem Seilzug die hier gezeichnete Ausgangsposition auch denkbar. Grund: Bei einem angenommenen Servoweg von 2x45° verteilt sich der Arbeitsbereich auf beide Seile, sodass ein Seil nur für eine Ausschlagrichtung wirksam ist, d.h. von +20° bis -25° auf jeder Seite. Die Hebelverhältnisse sind damit optimiert für eine Bewegung aus der Neutrallage heraus, da der Übertragungswinkel ungünstiger wird, wenn das System sich aus der 12-Uhr-Position entfernt. Im Heft 09/99 S.84 der Zeitschrift Radio Control Modeler (RCM) ist dieses System mit einem 18°-Offsetwinkel dargestellt, ohne allerdings detailliert auf die Hintergründe einzugehen. Der genaue Wert des Offsetwinkels ist Geschmackssache, er sollte sich aber im Bereich von 10° bis 20° befinden. Um die Belastung des Servo-Kugellagers etwas zu mildern, gibt es bei Graupner einen Servo-Horn-Supporter (Best.-Nr. 5119). Grundsätzlich sollten die Seile aber nur geringe Vorspannung aufweisen.



Ein Nachteil der Anordnung P.1 wird erkennbar, wenn man den Bewegungsablauf bei einem raschen Ausschlagwechsel (z.B. Vollausschlag rechts auf Vollausschlag links) betrachtet. Hier übernimmt nur ein Seil die komplette Kraftübertragung über den ganzen Bereich von -65° bis +25° (bei einem angenommenen Offsetwinkel von 20°). Der Übertragungswinkel zwischen Seil und der Verbindungslinie zwischen Scharnierachse und Seilangriffspunkt sollte möglichst 35° nicht unterschreiten, hier beträgt er aber nur 25°. Als Konsequenz sollte man den Offsetwinkel also eher geringer wählen, wenn die Ruderfläche große Ausschläge durchlaufen soll.

Interessant ist noch der Einfluss unterschiedlicher Hebellängen auf die Anordnung aus P.1. Dies ist in R.0 dargestellt. Ein im Vergleich zum Servohebel längeres Ruderhorn ergibt weniger Ausschlagwinkel am Ruder, aber auch eine leichte Überdehnung des Systems. Wie man - spätestens nach den bisherigen Ausführungen - weiß, kann das durch Vergrößern der Seillänge = Vergrößern des Offsetwinkels am Ruderhorn wieder kompensiert werden (R.+).

Hier wäre ein Excel-Programm sinnvoll, zur Optimierung der Seillänge in Abhängigkeit von:

Hebelarm-Verhältnis

Gestell-Länge

Offsetwinkel am Servo

Offsetwinkel am Ruderhorn

Für jeden Anwendungsfall gibt es eine optimale Winkeldifferenz, bei der die Längenänderung der Seile im Arbeitsbereich minimal ist.

Viele Jahre später hat Michel Schümichen das Thema aufgegriffen und ein Rechenprogramm für die Mathematik-Software Geogebra erstellt. Genau richtig, um die optimalen Werte mit einigen Testläufen ermitteln zu können.

Dipl.-Ing. Walter Holzwarth, Ingenieurbüro für Maschinenbau

 

Letzte Änderung: 31.01.14